"...wir werden ein Auto für die Massen herstellen. Es wird genug groß sein für die Familie und so billig, daß jemand konnte ihn kaufen um zu schöne Weilen mit Freunden erleben."
Es sieht so aus, daß die Worte hat ein kommunistischer Funktionär aus DDR gesagt. Aber tatsächlich hat es Henry Ford gesagt am Anfang des 20. Jahrhundert. Die Worte passen auch sehr gut zu Wartburg 353, nicht wahr? | ![]() |
VEB Automobilwerk Eisenach
Rennbahn 8 Postfach 213-219 59 00 Eisenach DDR | |||
Jahre 1966 - 1991 | |||
1.7.1966 - 1988
1.7.1966 lief dann aber die Serienproduktion des 353 an. Das Blechkleid des 353 entstand in Zusammenarbeit mit Renault. Mit den Franzosen wurde auch über Motoren verhandelt (natürlich Viertakter), allerdings verhinderten zu hohe Preise eine weitere Zusammenarbeit. Der Franc war eine freikompatible Währung, die DDR-Mark nicht. Devisen hatten einen zu hohen Wert, als daß man sie für einen Pkw-Motor ausgegeben hätte. Der 353 entsprach bei seinem Erscheinen durchaus internationalem Standard. Teilweise setzte er auch neue Maßstäbe. Zum Beispiel bei der sehr "schrauberfreundlichen" Karosserie. Er krankte aber wieder an dem Zweitaktmotor. 1966 hatte man sich in Westeuropa schon von diesem Antriebskonzept verabschiedet. Es gab kaum mehr ein Argument gegenüber dem Kunden. Bis in die 80er Jahre hinein konnten, trotz dieser Schwächen, bedeutende Stückzahlen ins Ausland geliefert werden. Belgien und Griechenland zählten in Westeuropa mit zu den Hauptabnehmern. Es war abzusehen, daß der Wartburg 353 bald nicht mehr exportfähig war. Schnell wurde ein Dreizylinder-Viertaktmotor entworfen. Dieser Motor entwickelte sich aus dem vorhandenen Zweitakter. Ein anderer Kopf und ein Ölkreislauf waren die wesentlichsten Änderungen. Das liest sich erheblich leichter, als es in Wirklichkeit war. Trotz aller Schwierigkeiten hätte dieser Motor eine reelle Chance gehabt. Im Fundus des Eisenacher Museums steht ein 353W mit diesem Motor. Dieser Wagen war bis zur Wende in Berlin im Einsatz und hat seinen Dienst zur Zufriedenheit getan. Die Lösung sollte aber ein Lizenzabkommen mit Volkswagen bringen. Ende 1984 wurde der Vertrag, der den Bau von 2 VW-Alpha-Motoren gestattete, unterzeichnet. | |||
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1988 - 10.4.1991 Im Oktober 1988 - fast 4 Jahre später, lief die Serienproduktion des letzten Wartburg-Typs an. Innerhalb dieser 4 Jahre wurde mit Hochdruck an dem Motor, seiner Herstellung und am neuen Wartburg gearbeitet. Auch wenn die Optik des "Neuen" enttäuschte, zu sehr erinnerte sie an den 353, es hatte sich sehr viel verändern müssen. Fast 10 Milliarden Mark hatte die Umstellung gekostet! Der Preis für das Auto war entsprechend hoch. Mehr als 30.000 Mark war für einen neuen Wartburg zu zahlen. Die Hoffnungen auf Export zerschlugen sich auch sofort nach der Vorstellung gründlich. Selbst die RGW-Partner waren zu den geforderten Preisen nicht bereit den 1.3 zu kaufen. Der Export nach Westen war schon in den 60er Jahren fast zusammengebrochen. Der 1.3 hatte kaum eine Chance gegenüber einem Volkswagen Golf oder Opel Kadett, gegen die er ja hätte antreten müssen. Mit einem 30 Jahre alten Gesicht konnte ein Mini aus England oder ein 2CV aus Frankreich auch nur noch wirkliche Fans zum Kauf bewegen. Eine Wartburg-Fangemeinde gab es zu diesem Zeitpunkt in der Bundesrepublik nicht. Alle diese Schwierigkeiten waren aber nicht das Hauptproblem. Das war die politische Wende in der DDR. Es war unruhig geworden im Land und die Menschen hatten andere Sorgen, als den neuen Wartburg. Von diesem und dem neuen Trabant 1.1 war man sowieso enttäuscht.Die Wende stellte alle DDR-Bürger und auch ihre Wirtschaft in eine völlig andere Welt. Die Werte von einst galten plötzlich nichts mehr. Der Lada oder der Wartburg waren plötzlich nicht mehr die Traumwagen eines jeden. Neue Währung, neue Waren, neue Autos. Autos, die soviel komfortabler waren, größer, schöner. Autos, die im Westen schon abgeschrieben waren, die die Bürger der DDR aber eben erst kennenlernten. Da konnte AWE mit seinem Wartburg nicht mehr mithalten. Ein dramatischer Preisverfall konnte den Niedergang nur manifestieren, zu stoppen war er nicht mehr. Der 1.3 wurde gegen Ende für nur noch 10.000,- DM angeboten. Erst einige Jahre später erkannten die Menschen den Wert "ihrer" Marken und Waren wieder. Für die meisten dieser Produkte und Hersteller kam diese Renaissance viel zu spät. Auch das Engagement einiger westlicher Zulieferer, wie Irmscher, konnte die Entwicklung nicht mehr aufhalten. ![]() Das Produkt Wartburg 1.3 war aus westlicher Sicht fast steinzeitlich zu nennen. Keiner der westlichen Autohersteller war an einem neuen Konkurrenten interessiert. Für eine Kooperation mit gleichberechtigten Partnern, war die Zeit in der DDR und später in den neuen Bundesländern viel zu unruhig. Keiner konnte ahnen, welche Richtung die Gesellschaft und ihre Wirtschaft einschlagen würden, welche Staatsform würde entstehen, wie würden die Beziehungen zur Bundesrepublik werden, wie entwickeln sich die ehemaligen "Bruderländer"? Fragen über Fragen und kaum Antworten. Wenn sich die Antworten einstellten, dann war es meistens schon zu spät, hatten sich neue Fragen ergeben. Der Wartburg und seine Produktionsstätte waren nicht wettbewerbsfähig. Im Herzen der Stadt Eisenach waren bisher fast 10 000 Menschen um den Wartburg beschäftigt. Nur recht wenige von diesen 10 000 hatten direkt mit dem Auto zu tun. Rechnet man heute die vielen Kader der SED, der FDJ, der Gewerkschaft, des DFD, der DSF der vielen anderen Massenorganisationen weg, bleiben immer noch Ärzte und Schwestern der Betriebspoliklinik, die Arbeiter, die komplette Taktstraßen und Schweißautomaten bauten, Kindergärtnerinnen etc. übrig. Menschen, die für AWE täglich fleißig arbeiteten, in einem sozialistisch geführten Betrieb unerläßlich waren, ein marktwirtschaftliches Unternehmen aber über alle Maßen belasteten. AWE bildete bis zur Wende in ca. 30 Berufen insgesamt 600 Lehrlinge aus. Das Werk befand sich in sehr beengten Verhältnissen. Es war aufgesplittet in verschiedene Teilwerke in und um Eisenach. daraus ergaben sich zwangsläufig logistische und ablauftechnische Probleme. Hier können nur einige, der wesentlichsten Probleme aufgeführt werden, aber schon daraus sind die fast unüberwindlichen Hürden zu erkennen. Aus eigener Kraft hätte AWE den Sprung in die Marktwirtschaft niemals geschafft. Keiner der frischgebackenen Manager wußte, wie die Marktwirtschaft funktioniert! Hilfe konnte, wenn überhaupt, nur in Zusammenarbeit mit einem starken Partner aus dem Westen kommen. BMW lehnte dankend ab. Die Probleme stellten sich also auch für so ein potentes Unternehmen als zu riskant dar und zu wenig war zu erreichen. Etwas mehr Optimismus ließen die Gespräche mit Volkswagen aufkommen. AWE hoffte auf verstärkte Initiativen des Lizenzpartners in Ostdeutschland. Die Beibehaltung der Pkw-Produktion in Eisenach und in Zwickau und die Fortführung des Motorenwerkes in Karl-Marx-Stadt ließen sich als Silberstreif am Horizont erkennen. Allerdings waren die Würfel sehr schnell gefallen, als VW mit IFA Personenkraftwagen ein Kooperationsunternehmen gründete und es in Sachsen (Mosel) ansiedelte. Der Standort Eisenach war demnach bei den Wolfsburgern vom Tisch. Dritter Gesprächspartner war Opel. Vierter in der Runde Mitsubishi. Das Gerangel um AWE war aber keinesfalls förderlich für eine baldige Standortsicherung. VW bekundete zwar den Willen, sich weiter mit Eisenach zu beschäftigen, konkrete Projekte, wie in Mosel, entstanden nicht. AWE wollte die Situation klären und tat 1990 einen gewagten Schritt : am 9.2.1990 trat das Eisenacher Werk aus dem IFA-Verbund aus! Das Tauziehen zwischen VW auf der einen Seite und Opel auf der anderen Seite ging indes weiter. AWE saß weiterhin zwischen allen Stühlen. VW´s halbherziges Angebot wurde von der Eisenacher Belegschaft abgelehnt und die Zusammenarbeit mit Opel beschlossen. 26.3.1990 wurde die Opel-AWE-Personenwagen GmbH gegründet. Beschäftigen wollte sich das neue Unternehmen mit der Montage des Opel Vectra. Gleichzeitig wurde im AWE-Stammwerk um das Überleben gekämpft. Die Belegschaft schrumpfte dramatisch, die Materialkosten wurden gesenkt. Der Ausstoß fertiger Fahrzeuge mußte verringert werden. Der 16.6.1990 war der Gründungstag der Automobilwerk Eisenach GmbH. Die Zeit wurde knapp. Der Export in die RGW-Länder brach zusammen, im eigenen Land galt der Wartburg als unverkäuflich. Die Treuhand entschied sich für den kurzfristigen, völligen Produktionsstop innerhalb von 10 Tagen. Die Reaktionen im Werk waren drastisch. Die Belegschaft blockierte die nahe Autobahn A4. Aber selbst der Einspruch von Opel, bei der Treuhand, konnte das Aus nicht mehr abwenden. Der Schluß verzögerte sich zwar noch bis in den April, aber am 10.4.1991 lief dann der endgültig letzte Wartburg 1.3 vom Band. Im Film "Wartburg und Zentaur" sind Ausschnitte aus den Nachrichtenberichte aus jenen Tagen enthalten. Die Tränen der Mitarbeiter waren echt. Es ging um das eigene Überleben, um die eigene Identität und um die gesamte Region. Im Mai 1991 wurde die Geschäftsleitung entlassen und das Unternehmen "abgewickelt". Über 90 Jahre lang wurde in Eisenach Automobile hergestellt. Fast immer wurden sie positiv beachtet, fanden die Leistungen der Ingenieure und die Qualität der Produkte ihre Anerkennung. Eine Chance wurde AWE nicht eingeräumt. Zwar produzieren heute BMW und Opel in Eisenach, aber mit der Fahrzeugfabrik Eisenach haben beide nichts mehr zu tun. Der Drittälteste Automobilbauer, nach Daimler und Benz, machte seine Tore unwiederbringlich zu. | |||
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Automobilbaumuseum Eisenach seit dem Jahr 2005 Im Juni 2005 wurde das städtische Museum "automobile welt eisenach" neu eröffnet. Möglich war dies auch dank der Unterstützung durch den Verein "Automobilbau-Museum Eisenach e.V." (AME). Die "automobile welt eisenach" ist auf dem Gelände des ehemaligen Automobilwerks Eisenach zu finden, im denkmalgeschützten Gebäude mit der Bezeichnung O2 in der Friedrich-Naumann-Straße 10. Das Industriegebäude O2 wurde bis zuletzt im AWE als Verwaltungsgebäude genutzt. Gezeigt werden über 100 Jahre Eisenacher Automobilbaugeschichte - eingebettet in Zeugnisse der verschiedenen Epochen. Geöffnet ist das neue Museum dienstags bis sonntags jeweils 11 Uhr bis 17 Uhr. Wer eine Führung buchen oder sich über das Museum informieren will, kann dies direkt bei der Automobilen Welt Eisenach unter Telefon 03691/77212 tun. Nach dem www.eisenachonline.de
Zbynek Sliva |
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